Jesus würde Whiskas kaufen

Der musikalische Gebrauchtgrabsteinhändler Elton John („Candle in the Wind“) hat kürzlich in einem Interview die Behauptung geäußert, Jesus würde heute sicherlich die Ehe-Öffnung für Schwule und Lesben befürworten.

Nun könnte mir freilich von Herzen wumpe sein, was dieser Mann so redet, wenn der Tag lang ist. Aber irgend jemand hat ihm wieder mal ein Mikrophon vor die Nase gehalten, und so haben ziemlich viele Menschen diesen Satz gehört – sogar ich. Dazu kommt, dass Herr John ja leider nicht als Einziger allen Ernstes findet, man solle in unsere heutige Gesetzgebung wilde Spekulationen darüber einbeziehen, was ein populärer Wanderprediger der Antike möglicherweise denken könnte – vorausgesetzt, er würde gar nicht in der Antike leben, sondern heute, und weiterhin vorausgesetzt, er wäre tatsächlich der, als den man ihn sich aus ein paar willkürlich zusammengetragenen und teils miserabel übersetzten Textfragmenten so gerne zusammenphantasiert. Deshalb beschäftigt mich das jetzt doch.

Natürlich hat die Bibel immer recht. Irgendwo. Das liegt ganz einfach daran, dass so ziemlich jeder Sinn und Unsinn in diesem Buch steht, den man sich nur vorstellen kann. Jede_r kann sich nach Herzenslust genau das heraus- bzw. hineinexegieren, was sie_er gerne lesen möchte. Was nicht passt, wird einfach ignoriert. Wer will, strickt sich einen sanften Hippie-Jesus zusammen, der immer fünfe gerade sein lässt und der irgendwie alle lieb hat. Wer die härtere Gangart bevorzugt, kann sich stattdessen an all den fiesen Dingen in Rage geifern, die im O-Ton „dem Herrn ein Greuel“ sind. Anything goes. Das ist das Erfolgsrezept des Christentums. Nein, ich korrigiere: der Christentümer.

Die Unterschiede könnten nämlich im Resultat kaum größer sein. Übersehen wird dabei leider gern, dass natürlich sämtliche Gruppierungen sich ihren gewünschten Schöpfungsplan selber häkeln, indem sie behaupten, ausgerechnet ihre Lieblingspassagen seien „göttlich inspiriert“ und die anderen seien es nicht. Im Grunde wird Gott hier zur Bauchrednerpuppe, die immer genau das plappert, was wer-auch-immer-die-Hand-hinten-reinsteckt ohnehin schon immer für das einzig Richtige hielt. Nur hat die subjektive Meinung der Puppenspieler_innen nun das Fundament einer unhinterfragbaren Autorität. Gott. Wenn der was will, dann muss man das ja bekanntlich schlucken, denn was die göttlichen AGB bei Nichteinhaltung vorsehen, ist hinlänglich bekannt. Ein hochattraktives Privatmeinungs-Upgrade also, das man bei atheistischen Ideologieanbietern nicht oft mitgeliefert bekommt.

Es war ebenfalls Elton John, der bereits vor einigen Jahren die Konfigurationsmöglichkeiten des Produktes „Jesus“ beeindruckend dehnte, indem er behauptete, der Gottesklon sei schwul gewesen. Das ging zwar Vielen zu weit, aber verblüffender Weise gab es zu dieser kackfrechen und von keinerlei inhaltlicher Argumentation begleiteten spirituellen Geiselnahme auch einige Zustimmung. Das ist nicht mal so besonders neu. Alle paar Jahre verdient sich irgendein_e neue_r Autor_in mit einem posthumen Messias-Outing ein bisschen was dazu (Jesus wechselt sich hier ungefähr in einem Fünfjahresrhythmus mit Hitler ab). Aber diese Leute geben sich wenigstens noch die Mühe, ein paar windige Belege an den Haaren herbeizuziehen und damit zumindest ein Büchlein zu füllen. Elton John hat das nicht nötig. Er ist halt furchtbar berühmt, der religiöse Deutungsmarkt ist bizarren Unsinn gewohnt, und schon quiekt die magere Sau durchs Mediendorf.

Seltsamer Weise scheint auch Herrn John erst vor kurzem aufgefallen zu sein, was der Weltenretter wirklich zur Homoehe denkt. Noch 2008 lehnte sich John selbst gegen den Willen seines Herrn ketzerisch auf:

„I dont want to be married. Im very happy with a civil partnership. If gay people want to get married, or get together, they should have a civil partnership. The word marriage, I think, puts a lot of people off. You get the same equal rights that we do when we have a civil partnership. Heterosexual people get married. We can have civil partnerships.“

John war damals einer derjenigen Schwulen, die so gern von den Gegner_innen unserer Rechte zitiert werden, wenn es heißt: „Ich kenne einige Schwule, und die sagen sogar selber, dass …“ Wie ich haben viele andere noch nicht vergessen, dass er mit diesem Statement noch vor wenigen jahren das hehre Ziel, für das er heute zu brennen vorgibt, ohne jede Not öffentlich torpediert hat.

Wir wissen nicht genau, was Herrn John ausgerechnet im Jahr 2014 das Licht sehen ließ. Spielt es womöglich eine Rolle, dass er gerade eben beschlossen hat, seinen Lebenspartner nun doch richtig zu heiraten? Aber nein, das kann es nicht sein. Wer wäre schon so dreist, spirituelle Fragen von höchster Relevanz willkürlich so hinzudrehen, dass sie jeweils die wechselnde eigene Lebensplanung rechtfertigen?

An sich ist es erfreulich, wenn Menschen wie John ihre Bekanntheit nutzen, um sich für gleiche Rechte auszusprechen. Das mit dem coolen schwulen Jesus, der die Homoehe ja heute sicher richtig tight fände – es ist vermutlich wirklich gut gemeint.

Das Problematische ist aber: Wer in der Diskussion um die ethische und politische Bewertung unserer Rechte gedankenlos mit Kruzifixen um sich schmeißt, der muss sich nicht wundern, wenn sie ihm recht schnell bumerangartig an den Hinterkopf knallen. Mit derselben Waffe können die Homo-Gegner_innen nämlich auch umgehen – und sie zielen nicht schlechter.

Dahinter steckt ein noch grundsätzlicheres Problem. Johns Argumentation fußt auf einer nicht erst langfristig gefährlichen Strategie: Er bekräftigt hier ein anti-demokratisches Wertesystem. Innerhalb einer Ideologie, die unhinterfragbare Autoritäten (Gott, Jesus, die Bibel, den Papst usw.) zur Grundlage ethischer und sogar politischer Entscheidungen macht, gibt es keine sachliche Auseinandersetzung, keine Freiheit, keine Emanzipation. Nicht heute und nicht morgen. Nie. Eine solche Argumentation ist grundlegend anti-emanzipatorisch und anti-aufklärerisch. Wer uns nur akzeptiert, weil er_sie glaubt, das seiner Gottheit wegen zu müssen, die_der akzeptiert uns eben nicht wirklich. Und wer glaubt, die Erlaubnis einer höheren Macht oder ihrer diesseitigen Funktionär_innen zu benötigen, um sein Leben leben zu dürfen, der wird nie wirklich frei sein.

Dabei muss dieser ganze Unsinn überhaupt nicht sein. Wir haben nicht den geringsten wirklichen Grund, darüber zu spekulieren, ob Jesus, Mohammed, Buddha oder das Krümelmonster uns mögen würden oder nicht. Wir sind freie Menschen und als solche haben wir Rechte. Wir können getrost klarstellen, dass der Satz „Jesus würde die Homoehe befürworten“ für die aktuellen politischen Entscheidungen ebenso sinnlos und überflüssig ist wie die Behauptung, Jesus würde heute ein ganz bestimmtes Katzenfutter für seinen flauschigen Liebling bevorzugen.

Es gibt reale Argumente für die Eheöffnung und überhaupt für die Gleichberechtigung aller Menschen: Die Menschenrechte. Die Grundrechte unserer Verfassung. Den Sinn für Gerechtigkeit, den jeder Mensch entwickelt, der empathisch und ohne künstlich geschürte Paranoia das Leben von Schwulen, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuellen einfach nur realistisch beurteilt. Alle diese guten Argumente sind in dieser Diskussion auf unserer Seite. Reichen die etwa nicht? Auf ihnen – und nur auf ihnen – kann eine humane Politik aufbauen, die diesen Namen verdient.

2 Kommentare zu “Jesus würde Whiskas kaufen

  1. Danke für diesen Artikel! Du hast die Argumente, warum niemand mit der Bibel argumentieren sollte, so schlüßig rübergebracht. Bin auf der Suche nach Meinungen zur Bibel und Religion hier gelandet.
    Es ist wirklich so – in die Bibel kann man alles rein und raus interpretieren. Die Bewertung dieser Interpretationen – nun, die kommt aus der humanen Aufklärung, aus unserem Menschsein. Die Werte kommen nicht aus der Bibel, beileibe nicht.
    Danke für die klaren Worte.

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