Von Liebe und Schweinkram

Wie immer schlägt Frau Obermeier das Niederknödlinger Morgenblatt bei den Heiratsanzeigen auf. „Wir haben uns getraut!“, scherzen dort Marcel K. und Sofie L. unter einer Grafik mit zwei Ringen. Frau Obermeier schmunzelt über das gelungene Wortspiel. Sie kennt die beiden nicht, aber sie freut sich trotzdem mit ihnen. Es ist doch schön, wenn sich ein junges Glück zu seiner Liebe bekennt. Und es macht Frau Obermeier froh, dass es anscheinend noch solche guten alten Werte gibt wie Treue und Verantwortung. Vielleicht ist ja sogar bald etwas Kleines unterwegs? Frau Obermeier stellt sich ein pastellfarbenes Kinderbettchen vor und seufzt glücklich.

Direkt daneben weisen Jan M. und Frank O. auf die Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft hin, darüber die selbe Grafik mit den beiden Ringen. Frau Obermeier stellt die Kaffeetasse ab. Sie hustet. Jetzt muss man solchen Schweinkram sogar schon hier im Morgenblatt lesen, denkt sie. Hier in Niederknödling! Dabei geht das, was dieser Jan und dieser Frank im Schlafzimmer treiben, doch nun wirklich niemanden was an. Das mag man sich ja gar nicht ausmalen! In Gedanken malt Frau Obermeier sich aus, was Jan M. und Frank O. im Schlafzimmer wohl so treiben könnten. Einfach widerlich, was einem da schon beim Frühstück zugemutet wird! Als ob normale Leute auf die Idee kämen, auf solche Weise ihr Intimleben in der Öffentlichkeit breitzutreten. Aber diese Schwulen müssen ja wirklich überall mit ihrer Sexualität hausieren gehen!

Frau Obermeier versteht das nicht. Wenn die wollen, dass man sie als normal akzeptiert, dann dürfen sie einen eben nicht ständig mit solchen Zurschaustellungen ihres Andersseins provozieren! Und was heißt denn hier ‚Lebenspartnerschaft‘? Diese Perversen scheinen sich wohl auch noch für was Besonderes zu halten. Auch wieder typisch. Wollen angeblich genauso sein wie wir, aber fordern dauernd irgendwelche Extrawürste und Sonderrechte.

Dabei ist das doch heutzutage ganz egal, ob einer nun mit Frauen oder mit Männern ins Bett geht. Man muss ja heute tolerant sein, weiß Frau Obermeier. Aber irgendwo gibt es auch Grenzen. Sexualität gehört einfach nicht an die Öffentlichkeit. Wenn das Kinder lesen! Und die sexuelle Orientierung interessiert doch gar niemanden – auf den Charakter kommt es schließlich an. Was privat ist, dass soll auch privat bleiben, das wird man ja wohl noch sagen dürfen in Deutschland!

Empört blättert Frau Obermeier weiter zum Gesellschaftsteil. Schau an, ob wohl doch etwas dran ist an der Geschichte mit Fürst H. und dieser reichen Modedesignerin? Sie soll ja eine recht zweifelhafte Vergangenheit haben, schrieben sie neulich. Und was macht eigentlich die uneheliche Tochter von diesem Rennfahrer, wie hieß der noch gleich …?

2 Kommentare zu “Von Liebe und Schweinkram

  1. Ja, es gibt schon komische Leute. Gut, dass ich nicht (mehr) so denke wie diese „Frau Obermeier“.
    Ich muss „gestehen“, dass ich bis vor ca. einem Jahr auch ziemlich homophob eingestellt war, aber das hat sich jetzt durch eine Reifung meiner Persönlichkeit geändert.

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