Merkel zur Eheöffnung: Ein Basta muss reichen.

Gestern hat der Youtube-Aktivist LeFloid Angela Merkel interviewt und dabei auch das Thema Eheöffnung angesprochen (ab 4:15).

Bekanntlich sagen Politiker*innen nicht immer das, was sie wirklich meinen. Man muss es übersetzen. Hier der Untertitel-Service von eurem zaunfink.

* * *

O-Ton Merkel: „Ich bin erst mal jemand, der sehr stark dafür ist, dass wir alle Diskriminierung abbauen.“

Untertitel: Jedes Kind weiß, dass meine Partei Schwule und Lesben schon immer diskriminiert hat und das auch weiterhin tun wird. Ein wichtiger Teil unserer Wähler*innen erwartet das schließlich von uns. Aber wir wissen auch, dass man Diskriminierung heute schönlügen und verschleiern muss. Also wehe, Bürschchen, Sie wagen es, mich mit dem bösen D-Wort in Verbindung zu bringen. Ich bin die Bundeskanzlerin und Sie nur irgend so’n Internetwichtel. Also kann ich hier lügen, bis sich die Balken biegen. Trauen Sie sich, mich der Lüge zu beschuldigen? Nee, das trauen Sie sich nicht.

„Wir haben ja viel geschafft.“

„Wir“, das sind natürlich nicht wir von der Union, sondern die Anderen. Aber weil diese dekadente Entwicklung ja heute als Erfolgsgeschichte gesehen wird, hängen wir uns nachträglich dran. Pfiffig, oder?

„Wenn ich denke: Vor 25 Jahren, da haben sich Viele noch nicht mal getraut zu sagen, wenn sie schwul oder lesbisch sind. Da sind wir Gott sei Dank drüber hinweg.“

Die gute alte Zeit, in der sich all diese Perversen wenigstens noch schamhaft verkrochen, sie ist trotz aller Bemühungen meiner Partei, dass das für immer so bleibe, leider dahin. Jetzt kommen überall diese Gestalten aus den Löchern und quengeln auch noch rum.

„Aber ich bin für eingetragene Partnerschaften.“

Trotz der Klagen meiner Partei vor dem Verfassungsgericht und aller erbitterten Polemik gibt es nun dieses ärgerliche Schandgesetz. Ich mache hier aber gute Miene zum bösen Spiel, weil ich nicht so reaktionär rüberkommen will wie ich bin.

„Ich bin dafür, dass wir im Steuerrecht keine Diskriminierung haben.“

Wir haben das Ehegattensplitting für Homo-Paare, wie auch jeden anderen Trippelschritt in Richtung Gleichstellung, mit Zähnen und Klauen zu verhindern versucht. Ich selbst war damals ganz vorne mit dabei. Aber Fortschritte zu blockieren ist was anderes als ganz offen die Uhr zurückdrehen zu wollen – das sähe einfach in den Medien gar zu scheiße aus. Deswegen tun wir neuerdings so, als seien wir schon immer dafür gewesen. Ich vertraue einfach mal darauf, dass Sie auch diesen dummen Trick hier nicht entlarven werden.

„Wo immer wir noch Diskriminierungen finden, werden wir die auch weiter abbauen.“

Ach, dass sich diese Diskriminierungen aber auch so verdammt gut verstecken. Man weiß ja gar nicht, wo man mit Suchen anfangen sollte. Etwa in den Gesetzestexten? Wenn Sie zufällig irgendwo eine Diskriminierung herumliegen sehen, geben Sie die doch bitte im Kanzleramt ab. Wir haben zwar bisher jede einzelne Gesetzesangleichung hinter die Heizung rutschen lassen, bis das Verfassungsgericht anklingelte und auch hinterher alles verschleppt so lange es irgend ging, aber in Zukunft werden wir Diskriminierungen aufspüren wie Drogenhunde. Schon ab übermorgen, versprochen. Oder zu Ostern. Oder wenn wir uns mal richtig langweilen.

„Ich glaube, dass man es auch akzeptieren muss, dass es dazu verschiedene Meinungen gibt. Ich sage meine, und für mich ist die Ehe das Zusammenleben von Mann und Frau.“

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes wirklich für alle Bürger*innen gelten soll, darüber muss man ergebnisoffen diskutieren, wie ja auch bei den unterschiedlichen Meinungen zur Gleichbehandlung der Frauen oder zum Rassismus. Kann man halt alles so oder so sehen, nicht wahr? Schön, dass Sie mir zustimmen.

„Und ich möchte keine Diskriminierung und eine mögliche Gleichstellung, aber mache dann eben an einer Stelle einen Unterschied, da haben Sie recht.“

Ich werde weiterhin kein rationales Argument vorbringen, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Ein Basta muss reichen. Haben Sie den Mumm, damit hier irgendein Problem anzumelden, Kleiner? Seh’nse, den habense nicht. Hatte ja sonst auch nie jemand von der ganzen Medien-Bagage.

„Keine Diskriminierung. Ehe als Zusammenleben von Mann und Frau.“

In dem Moment, wo ich das ausspreche, merke ich sogar selbst, wie furchtbar offenkundig die Schizophrenie ist. Bitte fragen Sie jetzt um Himmels Willen nicht nach, selbst wenn das hier so peinlich auf dem Präsentierteller liegt. Nicht, dass ich mich noch mal so blamiere wie damals mit dem Adoptionsrecht, wo ein einfaches Nachhaken meine ganze leere Fassade zum Bröckeln brachte. Uff, danke.

* * *

Raute

21 Kommentare zu “Merkel zur Eheöffnung: Ein Basta muss reichen.

  1. Danke dir lieber Zaunfink, wieder mal wunderbar auf den Punkt gebracht! Obwohl Merkels Äußerungen bei mir einen Würgreiz auslösen, musste ich doch herzlich über deinen Text lachen. Selbst wenn ich denke, dass du mit den Untertiteln gar nicht mal so falsch liegst…

    Grüße von Charlie

    • Danke, Charlie. Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt gut ist, seinen Ärger wegzulachen. Aber irgendwie musste das heute raus, und ich hoffe ja doch immer, dass ein produktiver Zorn übrig bleibt.

      • Ich denke, es kann durchaus gut sein, über ärgerliche Äußerungen zu lachen. Von ‚Weglachen‘ würde ich dabei aber nicht sprechen, denn der Ärger verschwindet dadurch ja nicht dauerhaft. Stattdessen zeigt es eher, wie unglaublich absurd und verlogen die ‚Argumente‘ der Gleichstellungsgegner_innen tatsächlich sind. Und was ist besser, als Menschen durch Lachen zum Nachdenken zu bringen? Wahrscheinlich erreichst du dadurch mehr Menschen als mit bierernsten Analysen…

    • Gleich zwei herrlich lesenswerte Artikel zum Preis von einem. Danke, lieber Zaunfink & liebe Entfaltungsraum.
      Zum Glück kann ich mich über Mutti Merkel nicht mehr aufregen. Ihre Unfähigkeit, ihre Meinung beim Thema LGBTTTIQ*-Rechte auch nur ansatzweise substanziell zu begründen, wurde von der Heute Show zu Recht mit einem „Vollpfosten“ belohnt.

  2. Danke fürs Auflockern der Situation! Übrigens finde auch ich nicht, dass etwas „weggelacht“ wird. Vielmehr denke ich, dass du die Absurdität auch für Menschen, die nicht im Thema sind treffend auf dem Präsentierteller servierst.

      • Ich betrete deinen Blog nie zornig, sondern denke mir immer: Oooh, der Zaunfink hat was Neues geschrieben *freufreufreu*! ;)

      • Bei mir hat dein Text auf jeden Fall bewirkt, dass die Verzweiflung (die Merkels Äußerungen ob so viel Ignoranz bei mir hinterlassen haben) durch Humor in Hoffnung und in ein „jetzt erst recht“ verwandelt wurde.

  3. Am Mittwoch hat Merkel an einer Rostocker Schule mit Jugendlichen diskutiert. Der schwule Schüler, der den Mut aufbrachte, sie zu fragen, was denn nun eigentlich der wichtige Unterschied zwischen homo- und heterosexuellen Paaren sei, der das Eheverbot rechtfertige, bekam wiederum keine stichhaltige Antwort, sondern wurde mit Traditionen und angeblichen (!) Mehrheitsverhältnissen abgespeist. Und er hat sich sicher super gefühlt, als Merkel unter seinen Mitschüler*innen nach Kompliz*innen ihrer irrationalen Ablehnung suchte („Sind hier alle der gleichen Meinung?“).
    Das ganze Gespräch hier, zur Eheöffnung etwa ab Minute 50.

  4. Merkels Verlogenheit zur #EheFürAlle bei #NetzFragtMerkel | Kommentar | Der Teilzeitblogger

  5. Lieber Zaunfink, ich habe mich sehr über Deinen Beitrag amüsiert. Eigentlich müsste man bei Merkel-Aussagen im Fernsehen immer so ein Übersetzerband mitlaufen lassen, damit man vom Merkelsprech nicht eingelullt wird.

    Da ich aber ein Freund des kritischen Diskurses bin, möchte ich eins anmerken: Man kann von Frau Merkel auch lernen, zumindest für sich persönlich. Ich denke ja, dass die Schwulenemanzipation ein Folgeprodukt der Frauenemanzipation ist. Je mehr Gleichheit der Geschlechter, desto uninteressanter die Frage der Sexualität. Es ist ja schon faszinierend, wie es diese Frau es schafft, ohne mit der Wimper zu zucken, die Macho-Männerwelt das Fürchten zu lehren (sie sprach mal davon, das sei, wie das Speil Schiffe versenken) und als gefühlt ziemlich genderneutrales Wesen an der Spitze der Politik zu stehen. Wie hat sie das nur geschafft, ohne je aktiv Frauenpolitik betrieben zu haben? Sehr subversiv , intelligent, mit Pokerface und mit viel Schlawienertum … Wichtige Waffen der Schwächeren.

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