Publikumsvermeidung. Eine kleine Handreichung für Aktivist:innen

Ich ziehe respektvoll den Hut vor allen, die sich für queere, linke, feministische Veranstaltungen abbuckeln. Sehr gelegentlich werde auch ich aus meinem Nest gelockt, um vor Leuten zu sprechen. Diese Veranstaltungen waren immer prima organisiert (seid liebevoll geherzt, liebe Leut‘! Immer gerne wieder!) Anderswo erlebt man bisweilen Wunderliches, und darum geht es im ersten Text meiner neuen Rubrik „Der Fink mit dem Zaunpfahl“.

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Du organisierst ab und zu öffentliche Veranstaltungen, und es tauchen immer noch Gäste auf, die sich da breitmachen, statt dein kleines Orga-Team und eine Handvoll engster Freund:innen die Früchte eurer Arbeit ungestört und in familiärer Atmosphäre mit der von weither angereisten Band / den teuer bezahlten Referent:innen / dem exklusiv aufgeführten Film genießen zu lassen? Womöglich wildfremde Leute, die ihr nicht mal kennt? Das ist wirklich unangenehm. Aber eure Fachperson für Publikumsfilterung und -vermeidung weiß Rat! Alle Methoden habe ich mit großem Erfolg selbst angewandt oder bei anderen Expert:innen studieren dürfen. Weiterlesen

Leichtigkeit

Anlässlich des Attentats von Orlando hatte ich kurz überlegt, hier statt eines Textes nur eine Grafik zu veröffentlichen. Auf einen schwarzen Hintergrund hätte ich in Spektralfarben knappe Appelle plaziert wie „mehr Umarmungen“, „mehr Liebe“, „mehr Sichtbarkeit“, „mehr Solidarität“, „mehr Küsse“, „mehr Mut“, und so weiter. All die Dinge, die nun durch dieses Massaker bedroht wurden und all die Dinge, die die Gegner*innen eines freien Lebens, freier Liebe und einer freien Sexualität verachten, aus welcher Quelle auch immer sie diese Verachtung speisen. Ich hätte möglicherweise einen gewissen Wert darauf gelegt, auch Provokationen gegen die Freiheitsängste einiger Schwuler einzubeziehen, die z.B. mit bestimmten Formen von Sexualität oder Identität nicht klarkommen („mehr Fetisch“, „mehr Tunten“), aber das nur nebenbei.

Die Botschaft wäre eine gewesen, die wir jetzt wieder überall hören: ein trotziges „Jetzt erst recht!“ Und ich hätte damit genau das getan, was jetzt so viele tun: Ich hätte unsere Freiheit in den Dienst eines Kampfauftrags gestellt. Ich hätte die Farbigkeit unseres Lebens in einen schwarzen Raum hineingesperrt, mit der verdammten Pflicht, ihn zu erleuchten. Ich kann dieses „Jetzt erst recht!“ sehr gut verstehen. Es ist eine naheliegende, vielleicht sogar heilsame Reaktion auf eine Angsterfahrung.

Aber es ist gleichzeitig eine schreckliche Umwertung von Freiheit.

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