Ehe für alle – Wasserstandsmeldungen

Oje, alle reden von einem „historischen Tag“, und ich habe so gar keine Lust auf eine feierliche Würdigung. Wie ihr wisst, bin ich der Typ, der bei der Party in der Ecke steht und mit dem spitzen Finger über das staubige Regal fährt – es ist ein dreckiger Job, aber einer muss ihn machen. Von mir also keine Tanzeinlage.

Vielleicht ist es ohnehin noch zu früh, um die Bedeutung der Eheöffnung für unseren Alltag und unsere politischen Strategien wirklich abzuschätzen. Ereignisse wie dieses sind aber immer ein guter Anlass, ein paar queerpolitische Wasserstandsmeldungen aus den Medien zu ziehen. Wie wär‘s also hiermit: Ich schmeiße einfach mal eine lockere Liste von Beobachtungen in die Runde, die ich in den letzten Wochen zwischen Beschluss und Inkrafttreten der „Ehe für alle“ aufgesammelt habe, und ihr, liebe Lesende, ordnet das selber ein. Oder widersprecht oder ergänzt. Ihr seid ja schon groß. Weiterlesen

Merkel zur Eheöffnung: Ein Basta muss reichen.

Gestern hat der Youtube-Aktivist LeFloid Angela Merkel interviewt und dabei auch das Thema Eheöffnung angesprochen (ab 4:15).

Bekanntlich sagen Politiker*innen nicht immer das, was sie wirklich meinen. Man muss es übersetzen. Hier der Untertitel-Service von eurem zaunfink.

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Das Paarprivilegien-Projekt: Fast wie richtige Menschen

Nicht alle unverheirateten Menschen dieses Landes – das gerät derzeit möglicherweise ein wenig in Vergessenheit – fristen ihr Dasein in verzehrender Sehnsucht nach Goldringen, Verwandtschaftsaufläufen und mehrstöckigen Torten. So war auch für mich die Ehedebatte nie ein Thema, das mir wirklich am Herzen lag. Bisher.

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Antilopen, die Löwen fressen. In elf einfachen Lektionen zum Terror-Opfer

Fiese Minderheiten wollen die Mehrheitsbevölkerung verdrängen, unterdrücken oder gar auslöschen – in Zeiten der Retro-Trends ist diese etwas aus der Mode gekommene Denkfigur heute wieder total im Kommen. Politprofis und Publizist*innen machen es vor und warnen vor der gefährlichen Macht der Minderheiten. Trendscouts verraten: Opfergejammer der Privilegierten ist das neue Schwarz. Weil alle auf der Welle mitreiten wollen, viele aber doch nur recht mittelmäßige Minderheitendämonisierungen zustandekriegen, möchte ich hier einen kleinen Leitfaden anbieten.

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Zum 189. Geburtstag von Karl Heinrich Ulrichs

„Hierher zur blutigen Leiche! Zittert, ihr Verfolger! Ich, ich erstehe als euer Ankläger, ich fordre euch vors Gericht vor diesem Todten! Euch lade ich vor, die ihr die Verfolgung der Natur gepriesen habt, die ihr die Abschaffung gehindert habt, euch: Migault zu Bremen, Virchow zu Berlin, Schwarze zu Dresden. Tretet heran! Hier ist ein Todtengericht. Wen trifft die Blutschuld? Sprechet! ich fordre Rechenschaft. Es liegt ein Ermordeter hier! Gegen wen schreit sein Blut zum Himmel?“

Eine Anklage wegen „widernatürlicher Unzucht“ hatte im November 1869 den preußischen Hauptmann Frosch in den Suizid getrieben. Kein Einzelfall. Im März des Jahres hatten die hier namentlich angeprangerten Rechtsgutachter die Beibehaltung des ‚Unzuchts‘-Paragraphen verteidigt. Der Autor, der seiner rechtschaffenen Wut über diesen vermeidbaren Tod hier so eindrucksvoll die Zügel schießen ließ, ist Karl Heinrich Ulrichs: Jurist, Historiker, Anthropologe, freier Autor, Journalist, Verleger, Satiriker, Pamphletist, Dichter – und der erste Schwule der Weltgeschichte.

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Jesus würde Whiskas kaufen

Der musikalische Gebrauchtgrabsteinhändler Elton John („Candle in the Wind“) hat kürzlich in einem Interview die Behauptung geäußert, Jesus würde heute sicherlich die Ehe-Öffnung für Schwule und Lesben befürworten.

Nun könnte mir freilich von Herzen wumpe sein, was dieser Mann so redet, wenn der Tag lang ist. Aber irgend jemand hat ihm wieder mal ein Mikrophon vor die Nase gehalten, und so haben ziemlich viele Menschen diesen Satz gehört – sogar ich. Dazu kommt, dass Herr John ja leider nicht als Einziger allen Ernstes findet, man solle in unsere heutige Gesetzgebung wilde Spekulationen darüber einbeziehen, was ein populärer Wanderprediger der Antike möglicherweise denken könnte – vorausgesetzt, er würde gar nicht in der Antike leben, sondern heute, und weiterhin vorausgesetzt, er wäre tatsächlich der, als den man ihn sich aus ein paar willkürlich zusammengetragenen und teils miserabel übersetzten Textfragmenten so gerne zusammenphantasiert. Deshalb beschäftigt mich das jetzt doch.

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