In der dritten Woche seiner Kampagne gegen „linke Identitätspolitik“ behauptet Wolfgang Thierse, er sei „zum Symbol geworden für viele normale Menschen“. Das ist aber keine, wie Thierse glaubt, gute Nachricht, sondern eine sehr schlechte.
Es ist in Deutschland tatsächlich vollkommen normal, sich selbst von jedem Rassismus freizusprechen, im nächsten Moment eine mehr oder weniger subtile rassistische Bemerkung rauszuhauen und beleidigt zu reagieren, wenn man darauf hingewiesen wird, dass es mit der praktischen Umsetzung des antirassistischen Ideals wohl noch nicht so hundertprozentig läuft. Es ist normal, queerfeindliches Zeug zu quasseln und sich im Handumdrehen selbst zum Opfer zu erklären, sobald jemand sagt, dass man doch besser die Klappe halten könnte, statt Menschen zu verletzen. Es ist leider normal, vollkommen gedankenlos davon auszugehen, dass eine Welt, die mit sehr viel Aufwand exakt für die Menschen zugeschnitten wurde, die in jeder Hinsicht so sind wie man selbst, ganz „natürlich“ nur so sein kann, wie sie nun mal ist und dass sie auch für alle anderen einfach so passt. Und wenn man verwirrt ist, weil Menschen, die anders sind als man selbst, ihre eigenen Perspektiven sichtbar machen und sich eine Welt wünschen, in die auch sie hineinpassen, dann ist es leider ganz normal, darauf mit Ausreden, Verächtlichmachung oder Aggression zu reagieren. Weiterlesen